Plastikverbot: Was nicht verboten ist, bleibt (noch) erlaubt

Inhaltsverzeichnis:

1. Einwegplastik-Verbot
2. Welche Produkte zählen zu Einwegplastik?
3. Welche Produkte sind von dem Verbot betroffen?
4. Existieren Ausnahmen für spezifische Produkte?
5. Darf ich meine Lagerbestände abverkaufen?
6. Neue Kennzeichnungspflichten für Einwegplastik
7. Änderungen des Verpackungsgesetzes
8. Unser Tipp

80 % bis 85 % des Meeresmülls an den Stränden Europas sind laut EU-Kommission Kunststoffe. Rund die Hälfte davon sind Einwegkunststoffartikel: ob Plastikbesteck für das Picknick am Wochenende oder Wattestäbchen aus Plastik im Badezimmer. Gemein haben diese Gegenstände, dass sie schwer oder gar nicht natürlich abbaubar sind und in der Regel nach einmaliger Benutzung im Müll oder schlimmer noch, in der Umwelt landen.

Dies will die EU mit der Richtlinie (EU) 2019/904, die der deutsche Gesetzgeber bis zum 03. Juli 2021 umsetzen muss, in Zukunft verhindern. Ziel ist es, Kunststoffe entlang der Wertschöpfungskette nachhaltiger zu bewirtschaften, das achtlose Wegwerfen von Abfällen zu verringern und die Meeresvermüllung zu bekämpfen.

In unserem Rechtstipp der Woche erfahren Sie, was sich auch für den Online-Handel als Teil dieser Wertschöpfungskette ändert.

Einwegplastik-Verbot

Ab dem 03. Juli 2021 tritt die Einwegkunststoffverbotsverordnung in Kraft. Bestimmte Produkte, die aus Einwegkunststoff bestehen, sollen durch ein Verbot zukünftig nicht mehr in Verkehr gebracht werden.

Welche Produkte zählen zu Einwegplastik?

Verboten sind nur Einwegkunststoffprodukte: Also Produkte, die aus Kunststoff bestehen und während ihrer Lebensdauer nur einen Produktzyklus durchlaufen. Dies ist der Fall, wenn sie weder an den Hersteller oder Vertreibende zur Wiederbefüllung zurückgegeben werden noch zu demselben Zweck wiederverwendet werden, zu dem sie hergestellt worden sind. Verboten sind dann zum Beispiel Produkte aus Polypropylen, Polystyrol und expandiertem Polystyrol.

Ob es sich um ein Einweg- oder Mehrwegprodukt handelt, entscheidet sich bereits zu dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens. Bei der Bewertung dessen ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Demnach ist unerheblich, ob der Hersteller die Auffassung vertritt, das Produkt könne mehrfach verwendet werden. Allein ausschlaggebend ist, wie mit dem Produkt nach objektiver Betrachtung letztendlich und regelmäßig umgegangen wird. Maßgeblich für die Bewertung ist demzufolge die sogenannte Verkehrsauffassung.

Welche Produkte sind von dem Verbot betroffen?

Das Inverkehrbringen folgender Produkte ist ab 03. Juli 2021 verboten, wenn es sich um Einwegkunststoffprodukte handelt:

  • Wattestäbchen,
  • Besteck,
  • Teller,
  • Trinkhalme,
  • Rührstäbchen,
  • Luftballonstäbe, die zur Stabilisierung an Luftballons befestigt werden und
  • (To Go-) Lebensmittelbehälter und Getränkebecher/-behälter.

Diese Auflistung ist abschließend, andere Produkte aus Einwegplastik sind folglich nicht verboten. Das Verbot wirkt sich auch nicht auf Verpackungsmaterial aus Plastik wie bspw. Luftpolsterfolie aus. Im Sinne der Umwelt ist es allerdings zweckmäßig, auf solche Verpackungsmaterialien zu verzichten und anstelle dessen auf nachhaltigere Alternativen zurückzugreifen.

Unabhängig davon, ob es sich um Einwegprodukte handelt, sind außerdem Produkte aus Kunststoff verboten, der sich durch Oxidation abbaut (oxo-abbaubarer Kunststoff). Denn der Abbau findet in der Regel nicht vollständig statt, sodass Mikroplastik übrigbleibt. Da Mikroplastik als besonders umweltschädlich eingeschätzt wird, werden Produkte aus oxo-abbaubarem Kunststoff ebenfalls verboten.

Existieren Ausnahmen für spezifische Produkte?

Von dem Verbot dieser Produkte bestehen drei mehr oder weniger relevante Ausnahmen:

  1. Wattestäbchen und Strohhalme, sofern sie dem Anwendungsbereich der EU-Verordnung über Medizinprodukte unterfallen.
  2. Aus der Produktkategorie Besteck: Messlöffel aus Kunststoff, die Lebensmitteln beigefügt werden und nicht der unmittelbaren Nahrungsaufnahme dienen.
  3. Luftballonstäbe, die für industrielle oder gewerbliche Zwecke verwendet werden und nicht an Verbraucher abgegeben werden.

Darf ich meine Lagerbestände abverkaufen?

Die Verordnung verbietet das Inverkehrbringen von verbotenen Einwegplastik-Produkten. Damit ist die erstmalige Abgabe eines Produkts zum Vertrieb, Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Markt im Rahmen einer Geschäftstätigkeit gemeint. Der Vertrieb bestehender Lagerbestände bleibt also für Online-Shops möglich, sodass Sie Restbestände nicht vernichten müssen. Mangels Produktion wird der Handel von Einwegplastik nach und nach auslaufen.

Neue Kennzeichnungspflichten für Einwegplastik

Über das Verbot von Einwegplastik hinaus treten ab dem 03. Juli 2021 neue Kennzeichnungspflichten für bestimmte, von den Verboten nicht betroffene Produkte in Kraft. Die hierzu erlassene Verordnung trägt den prägnanten Titel Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung.

Für Hygieneeinlagen, insbesondere Binden, Tampons, sowie für Feuchttücher, Filter für oder in Tabakprodukte(n) und Getränkebecher, die Einwegkunststoffprodukte sind, gelten dann neue Kennzeichnungspflichten.

Durch Aufdrucke auf dem Produkt oder der Verpackung soll in Zukunft darauf hingewiesen werden, dass die Produkte Plastik enthalten und welche Auswirkungen eine unsachgemäße Entsorgung auf die Umwelt hat.

Zur Kennzeichnung verpflichtet ist, wer das Produkt in Verkehr bringt. Wie beim Plastikverbot meint Inverkehrbringen das erstmalige Bereitstellen auf dem Markt. Die Kennzeichnung ist also vom Hersteller vorzunehmen. Der Abverkauf nicht gekennzeichneter Produkte bleibt möglich.

Änderungen des Verpackungsgesetzes

Auch das Verpackungsgesetz muss an das neue EU-Recht angepasst werden. Von der Novelle ist auch der Online-Handel nicht unerheblich betroffen. Die Änderungen treten zeitlich in drei Schritten zum 03. Juli 2021, zum 01. Januar 2022 und zum 01. Juli 2022 in Kraft.

Beispielsweise gelten in Bezug auf sogenannte nichtsystembeteiligungsfähige Verpackungen ab dem 03. Juli 2021 neue Informationspflichten gegenüber dem Endverbraucher.

Bereits jetzt gilt, dass Verpackungen, die ein Hersteller, ohne seinen verpackungsrechtlichen Systembeteiligungs- und Registrierungspflichten nachzukommen, in Verkehr bringt, nicht zum Verkauf angeboten werden dürfen. Ein Verstoß hiergegen kann ein Bußgeld nach sich ziehen. Um ein solches zu vermeiden ist es ratsam, die Einhaltung der verpackungsrechtlichen Vorgaben durch Hersteller und Zulieferer von Online-Shops zu überprüfen. In ähnlicher Weise werden ab dem 01. Juli 2022 Betreiber von elektronischen Marktplätzen (bspw. eBay, Amazon oder Etsy) und Fulfilment-Dienstleister in die Pflicht genommen.

Auch wird perspektivisch die Pfandpflicht erweitert und eine Pflicht zum Angebot von Mehrwegalternativen eingeführt.

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Unser Tipp:

Die EU hat der Umweltverschmutzung durch Einwegplastik den Kampf angesagt. Langfristig soll Einwegplastik weitestgehend vom Markt verdrängt werden. Eine ähnliche Entwicklung zeichnet sich auch im Bereich Verpackungen ab. Für Online-Shops ist es deshalb ratsam, schon frühzeitig auf plastikfreie Alternativen und innovative Verpackungsideen zu setzen.

 

Über die Autorin


Autorin Anne Lehmann

Anne Lehmann, LL.M., ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Services. Bachelor an der Hanse Law School in Vergleichendem und Europäischem Recht sowie Master in Unternehmensrecht in Internationalem Kontext an der HWR Berlin. Im Rahmen ihrer Tätigkeit war sie zunächst für die Prüfung von Online-Shops der Märkte DACH, NL sowie UK zuständig und verantwortete das Key Account Operational Management. Sie betreut die Trusted Shops Abmahnschutzpakete und beschäftigt sich intensiv mit den für Online-Händler relevanten Rechtsgebieten.

10.06.21

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