Lieferzeit nicht eingehalten - welche Rechtsfolgen drohen bei Verzug?

Inhaltsverzeichnis:

1. Ist die Angabe eines Liefertermins verpflichtend?
2. Sind Lieferfristen im Onlne-Shop verbindlich?
3. Beginn und Ende der Lieferfrist
4. Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens
5. Was gilt hinsichtlich Verzögerungen auf dem Transportweg?
6. 
Rücktritt vom Vertrag und Schadensersatz statt der Leistung
7. Widerruf auch während des Verzugs möglich
8. 
Unser Tipp

 

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Im Online-Handel ist der Liefertermin von zentraler Bedeutung und kurze Lieferzeiten ein entscheidendes Verkaufsargument. Der zeitnahen Lieferung kommt insbesondere bei Impulskäufen oder kurzfristigen Bestellungen vor besonderen Anlässen eine erhebliche Bedeutung zu.

Sofern die angegebenen Liefertermine im Online-Shop nicht eingehalten werden und die Kundschaft die ersehnte Ware verspätet erhält, ist der Ärger häufig vorprogrammiert.

Viele Betroffene stellen sich daher die Frage, ob Liefertermine im Online-Shop überhaupt verbindlich sind. Wir möchten Ihnen in diesem Rechtstipp gerne aufzeigen, welche Konsequenzen bei Nichteinhaltung der Lieferzeit und einer verspäteten Zustellung drohen.

 

Ist die Angabe eines Liefertermins verpflichtend?

Die Angabe eines Liefertermins ist kein Selbstzweck, sondern dient vielmehr der Erfüllung der gesetzlichen Informationspflichten. Online-Shops sind nach Art. 246 a § 1 Abs.  1 S. 1 Nr. 7 EGBGB verpflichtet, Verbrauchern vor dem Vertragsschluss einen „Termin“ mitzuteilen, zu dem die Ware geliefert wird.

Allerdings genügt die Angabe einer abstrakten Lieferfrist ohne die Nennung eines konkreten Datums. Es ist daher zulässig, auf Zeitspannen wie z. B. „Lieferzeit 3 – 5 Tage“ zurückzugreifen.

Entscheidend ist, dass der Tag, an dem die Ware spätestens eintrifft, eindeutig bestimmt ist und vom Verbraucher ermittelt werden kann. Unverbindliche Lieferzeiten oder Relativierungen wie „voraussichtlich” oder „in der Regel” erfüllen die gesetzlichen Anforderungen hingegen nicht und sind zu vermeiden.

Welche Stolpersteine bei der Angabe von Lieferzeiten bestehen, haben wir bereits in dem Rechtstipp „Lieferzeitangaben: Auf diese Formulierungen sollten Sie besser verzichten!“ für Sie zusammengefasst.

 

Sind Lieferfristen im Online-Shop verbindlich?

Die Lieferfrist sollte gut kalkuliert werden und die Angabe so genau wie möglich erfolgen. Diese wird nach § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsbestandteil, sofern die Vertragsparteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbaren und ist daher verbindlich.

Online-Shops stehen daher vor einem Dilemma. Sie sind häufig bemüht, eine möglichst kurze Frist zu nennen, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden und Kaufanreize zu setzen. Andererseits dürfen Sie die Lieferfrist nicht zu kurz kalkulieren. Bei der Angabe einer Lieferfrist handelt es sich um eine kalendermäßige Leistungszeitbestimmung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dies hat zur Folge, dass mit dem Verstreichen der angegebenen Lieferfrist Verzug eintritt. 

 

Beginn und Ende der Lieferfrist

Grundvoraussetzung für den Fristbeginn ist, dass überhaupt ein Vertrag besteht. Zu welchem Zeitpunkt dieser im Online-Handel geschlossen wird, ist jedoch gar nicht so leicht zu beantworten. Sie finden alles Wichtige rund um das Thema Vertragsschluss in unserem Rechtstipp „Sichere AGB - So gestalten Sie Ihre Vertragsschluss-Klauseln richtig!“.

Die Frage nach dem konkreten Beginn der Lieferfrist hängt insbesondere von der gewählten Zahlungsart und der Vertragsschlussklausel in den AGB ab und kann daher nicht pauschal beantwortet werden.

Die Lieferfrist endet hingegen mit der Ablieferung der Ware an die vereinbarte Lieferadresse oder einer vergleichbaren Ersatzzustellung an eine Packstation oder dem Transport zur örtlichen Postfiliale.

 

Anspruch auf Ersatz des Verzugsschadens

Das Überschreiten der vereinbarten Lieferfrist führt dazu, dass Sie sich mit der Erfüllung Ihrer Leistungspflicht in Verzug befinden. Ist die Leistungsverzögerung auf Ihr Verschulden zurückzuführen, haften Sie gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB auf Ersatz des Verzögerungsschadens.

Im Regelfall setzt der Schadensersatzanspruch zwar voraus, dass Sie eine Mahnung erhalten haben, bevor der Verzugsschaden eingetreten ist. Diese ist allerdings nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, sofern eine Lieferfrist vereinbart wurde.

Der Anspruch besteht nur für Schäden, die während des Verzugs eintreten. Der in der Praxis häufigste Fall des Verzugsschadens sind die Kosten einer gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsverfolgung.

 

Was gilt hinsichtlich Verzögerungen auf dem Transportweg?

Bei Geschäften im Versandhandel übernehmen Sie grundsätzlich eine Schickschuld und schulden nur die Übergabe der bestellten Ware an den Versanddienstleister.

Mit der Übergabe der ausgesonderten Ware an den beauftragten Versanddienstleister haben Sie die geschuldete Leistungshandlung ordnungsgemäß vorgenommen und sind für Verzögerungen während des Transportes durch den Versanddienstleister nicht verantwortlich.

Der Verzug endet außerdem mit der Versendung der Ware. Bereits eingetretene Verzugsfolgen bleiben allerdings bestehen. Insbesondere besteht der Anspruch auf Ersatz des bis dahin eingetretenen Verzugsschadens fort.

 

Rücktritt vom Vertrag und Schadensersatz statt der Leistung

Die bloße verspätete Lieferung der Ware ermöglicht hingegen noch keinen Rücktritt vom Vertrag. Käufer können erst dann vom Kaufvertrag nach § 323 Abs. 1 BGB zurücktreten, sofern sie dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Lieferung gesetzt haben. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob Sie die Überschreitung der Lieferfrist zu vertreten haben.

Die Fristsetzung ist bei Massengeschäften im Online-Handel nur in Ausnahmefällen nach
§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich. Die Einhaltung der Lieferfrist muss dafür nach dem Parteiwillen so wesentlich sein, dass mit ihr das Geschäft „stehen und fallen“ soll.

Dies ist etwa bei anlassbezogenen Bestellungen denkbar, sofern vor Weihnachten ein Weihnachtsbaum oder Osterprodukte zu Ostern bestellt werden. Dass die Lieferung dieser Saisonprodukte vor den Feiertagen von besonderer Bedeutung ist, lässt sich den Umständen klar entnehmen und eine Nachfristsetzung dürfte entbehrlich sein. Im Falle eines Rücktritts schulden Sie die Erstattung eines bereits bezahlten Kaufpreises.

Nach erfolglosem Ablauf der Nachfrist kann anstelle der Leistung auch der Ersatz aller Schäden verlangt werden, die durch die endgültige und zu vertretende Nichtlieferung entstanden sind. Dieser Schadensersatzanspruch statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB erfasst insbesondere die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung oder den entgangenen Gewinn, der bei einem Weiterverkauf erzielt worden wäre.

 

Widerruf auch während des Verzugs möglich

Zu beachten ist außerdem, dass das Widerrufsrecht schon vor Erhalt der Ware ausgeübt werden kann. Der Verbraucher muss also nicht erst auf die Lieferung der verspäteten Ware warten, sondern kann auch während des Verzuges den Widerruf erklären.

Die Auslieferung der Ware beeinflusst das Entstehen des Widerrufsrechts nicht, sondern ist nur maßgeblich für den Beginn der Widerrufsfrist. Diese beginnt nach § 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter die Ware erhalten hat.

 

Unser Tipp

Die Angabe von Lieferfristen ist im Online-Handel nicht nur verpflichtend, sondern auch verbindlich. Kalkulieren Sie daher die Lieferfristen so, dass Sie diese auch einhalten können.

Anderenfalls tritt aufgrund der kalendermäßigen Leistungszeitbestimmung im Sinne des
§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzug ein und es besteht die große Gefahr, dass Sie sich schadensersatzpflichtig machen.

Irren ist menschlich und Fehler sind trotz großer Vorsicht schnell passiert. Dies gilt auch für die Kalkulation der Lieferfrist. Sofern Sie daher feststellen, dass Sie die Lieferfrist nicht einhalten können, empfiehlt es sich, proaktiv und kundenorientiert auf die Käufer zuzugehen, um gemeinsam eine Lösung zu finden.

 

Über den Autor

 

Ralf MarkardRalf Markard ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH. Er absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Zusätzlich schloss er ein Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Rheinischen Fachhochschule Köln mit dem Schwerpunkt Mergers & Acquisitions/Insolvenzen und Masterstudium (Master of Laws) an der FernUniversität in Hagen ab. Seit 2019 ist er bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Services tätig. Er setzt sich intensiv mit dem Wettbewerbs- und E-Commerce-Recht auseinander und betreut die Trusted Shops Abmahnschutzpakete.

 

19.08.21

Ralf Markard

Ralf Markard ist als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig und betreut die Trusted Shops Legal Produkte.

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