Das „klimaneutrale“ Produkt: Ab wann darf sich Werbung auf die Umwelt beziehen?

Inhaltsverzeichnis:

1. Was genau ist „klimaneutrale“ Werbung?
2. Der EU „Green Deal“ – Was könnte sich verändern?
3. Unser Tipp

 

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Hitzewellen und Extremwetterereignisse: Der Klimawandel ist stets präsent und beschäftigt uns alle. Das Bewusstsein der Kundschaft für umweltfreundliche Produkte steigt folglich in den letzten Jahren ebenso kontinuierlich an. Umso mehr Unternehmen bezeichnen sich in der Folge immer häufiger als klimaneutral und besonders umweltfreundlich. Ein Engagement für den Umweltschutz stärkt schließlich das Vertrauen der Kundschaft und das Image der Marke.

Doch auf welche rechtlichen Rahmenbedingungen muss bei klimafreundlicher Werbung geachtet werden und was könnte sich in der nächsten Zeit durch den EU-Gesetzgeber ändern?

 

Was genau ist „klimaneutrale“ Werbung?

In der Praxis wird der Kreativität keine Grenze gesetzt. Viele Unternehmen werben mit Aussagen wie:

„Wir werden CO2-neutral! Jetzt Ihre Bestellung klimaneutral erhalten!“ 

„Durch klimaneutrale Produkte leisten wir einen Beitrag, die natürlichen Ressourcen der Erde zu schonen und den ökologischen Fußabdruck von zu reduzieren. Jetzt klimaneutral einkaufen!“

„Wir machen alle Abos klimaneutral! Jetzt CO2-frei streamen!“ 

Daneben finden sich an immer mehr Stellen auf den Webseiten entsprechende „Klima-Siegel“, die der Kundschaft die Wahrnehmung einer besonderen ökologischen Verantwortung suggerieren sollen.

Doch nicht hinter jedem „klimaneutral“ steckt auch wirklich ein grünes Produkt.

 

Werbung muss wahr sein!

Für alle auf dem Markt beworbenen Produkte gilt grundsätzlich, dass die Werbung auch wahren Tatsachen entsprechen muss. 

Wirbt ein Unternehmen mit der Eigenschaft, dass sein Produkt klimaneutral hergestellt wurde oder eine Emissionskompensation durchgeführt wird, obwohl dies gar nicht zutrifft, handelt es unlauter. 

Dementsprechend gilt es zu beachten: Nur mit wahren Tatsachen darf auch geworben werden!

 

Werbeaussage: Klimaneutraler Versand!

Eine oft verwendete Werbeaussage ist der „klimaneutrale Versand“. Zu beachten ist dabei jedoch, dass sich die Eigenschaft des klimaneutralen Versands nicht auf Produkte oder Dienstleistungen des Online-Shops bezieht. Vielmehr wird in diesem Moment mit einer positiven Eigenart des beauftragten Transportunternehmens geworben.

Das Schmücken mit fremden Federn ist grundsätzlich nicht ohne Weiteres möglich. Wenn im Rahmen der Werbung jedoch ausdrücklich klargestellt wird, dass es sich beim „klimaneutralen“ Versand um eine Fremdleistung handelt, können Sie mit diesem Vorteil natürlich durchaus werben. 

Aber auch hier gilt: Werbung muss wahr sein – gegebenenfalls müssen Sie sogar weitere Information zu Art und Umfang der Klimafreundlichkeit des Versands vorhalten.

 

Werbeaussage: Klimaneutrales Produkt!

Neben dem grünen Versand werden immer häufiger auch Produkte und Dienstleistungen von Online-Händler*innen als „klimaneutral“ bezeichnet, ohne dabei näher auf die Hintergründe einzugehen. 

Ob dies so einfach möglich ist, ist seit langem umstritten und war in der jüngeren Vergangenheit Gegenstand mehrerer gerichtlicher Entscheidungen. 

Das LG Mönchengladbach (Urt. v. 25.02.2022, AZ. 8 O 17/21) entschied in einem Verfahren zu einer „klimaneutralen“ Marmelade, dass die Werbung ohne weiterführende Informationen wettbewerbswidrig ist. In diesem Fall wurde die Klimaneutralität nämlich lediglich durch das Konzept der Kompensation erreicht. Die Produktion der Marmelade war hingegen nicht klimaneutral. 

Zuvor befasste sich auch das LG Kiel (Urt. v. 02.07.2021, 14 HKO 99/20) mit der Frage, ob Müllbeutel mit der Aufschrift „klimaneutral“ den Verbraucher täuschen würden. Neben der Aufschrift fand sich in diesem Fall ein zusätzlicher Hinweis, dass das Produkt zertifizierte Klimaschutzprojekte zur Erreichung der UN-Klimaziele unterstützen würde. Das Gericht befand diesen Hinweis jedoch für nicht ausreichend und verlangte eine zusätzliche Angabe auf der Webseite oder der Verpackung, auf welcher sich weiterführende Informationen bezüglich der Klimaschutzprojekte wiederfinden.

Im gleichen Fall entschied das OLG Schleswig (Urt. v. 30.06.2022, 6 U 46/21) jedoch, dass die Aussage „klimaneutral“ ein eindeutig bestimmbarer Begriff sei, der keiner weiteren Erläuterung bedürfe. Es würde durch den beigefügten Hinweis ausreichend dargestellt, dass es sich bei der „Klimaneutralität der Müllbeutel“ um eine ausgeglichene Emissionsbilanz und keine emissionsfreie Herstellung handelt. 

Es zeigt sich, dass sich auch die Gerichte in der Frage uneins sind, inwieweit weitergehende Informationen bei der Werbung mit Klimaneutralität erteilt werden müssen.

An einem bestimmten Punkt wird sich wohl auch der Bundesgerichtshof mit dieser Frage beschäftigen müssen. Um rechtssicher umweltbezogen werben zu können, sollten Sie bis dahin so transparent wie möglich sein und Ihren Kundinnen und Kunden Informationen zu Art und Umfang der Klimaneutralität geben. 

Neben einer höchstrichterlichen Entscheidung in dieser Frage könnte auch der Gesetzgeber Abhilfe schaffen und den Graubereich der klimaneutralen Werbung regeln.

 

Der EU „Green Deal“ – Was könnte sich verändern?

Und dass an dieser Stelle etwas in Zukunft passieren könnte, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Die EU plant nämlich den sogenannten „European Green Deal“ und verspricht mit diesem einiges. 

Das Ziel: Die Treibhausgase bis 2050 auf null reduzieren und als erster Kontinent klimaneutral werden!

Neben anderen Maßnahmen soll das Ziel, der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, auch durch informierte Verbraucherentscheidungen erreicht werden. 

Der Gedanke dahinter: Nur wenn die Kundschaft ausreichend über die Umwelteinflüsse ihrer Konsumgüter informiert wurde, kann diese auch ihren Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Der Richtlinienvorschlag der EU-Kommission vom 30. März 2022 soll als Folgemaßnahme des europäischen Green Deals nachhaltigere Produktpolitik dadurch ermöglichen, dass

  • Verbraucher durch die Bereitstellung von Informationen besser über die Haltbarkeit und Reparierbarkeit bestimmter Produkte informiert werden und
  • Verbraucher besser vor unlauteren Geschäftspraktiken wie z. B. Greenwashing und die Verwendung nicht transparenter Nachhaltigkeitssiegel geschützt werden.

Grundsätzlich soll die Transparenz von umweltbezogenen Aussagen insgesamt verbessert werden. 

Erreicht werden sollen diese Ziele durch eine Änderung der Verbraucherrechte-Richtlinie (VR-RL) und Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL).

 

Unser Tipp

Wenn Sie die Klimafreundlichkeit oder gar Klimaneutralität Ihrer Waren herausstellen wollen, können Sie dies prinzipiell tun. 

Wichtig ist jedoch, dass die Aussagen grundsätzlich der Wahrheit entsprechen und dass aus Sicht des Verbrauchers alle erwähnenswerten Informationen dargelegt werden, um einer möglichen Irreführung vorzubeugen. Solange es keine einheitliche oder höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema gibt, gilt die Devise: lieber zu viele Informationen als zu wenige! 

Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit die europäischen Gremien den Vorschlag der EU-Kommission umsetzen. Dass es am Ende klare Voraussetzungen für die Gestaltung klimaneutraler Werbung gibt, ist nämlich noch nicht in Stein gemeißelt.

Weitere Informationen zu umweltbezogener Werbung finden Sie in unserem Blog-Beitrag über das Greenwashing!

 

 

Über den Autor


Leon Ferme ist Wirtschaftsjurist und seit 2020 für Trusted Shops im Bereich Legal Services tätig. Sein Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts sowie Masterstudium des Medienrechts und der Medienwirtschaft (Master of Laws) hat er an der Technischen Hochschule Köln absolviert. Er ist Blog-Autor, betreut die Trusted Shops Legal Produkte und setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten auseinander.

22.09.22

Leon Ferme

Leon Ferme ist als Legal Consultant bei Trusted Shops tätig und setzt sich intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, wie Medien- und E-Commerce-Recht auseinander.

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